Podiumsdiskussion zu rechten Tendenzen in Greiz erregte die Gemüter der Teilnehmer und Besucher
OTZ, Patrick Weisheit am 26. November 2016 / 02:30 Uhr
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion von links: Pfarrer Michael Kleim, Politikwissenschaftler Hajo Funke, die freie Journalistin Johanna Hemkentokrax, Theresa Lauß von der Opferberatung Ezra und Projektleiterin Madlen Wetzel. Foto: Patrick Weisheit / OTZ
Greiz. Der Verein „Aufandhalt“ hatte am Donnerstag zu einer Podiumsdiskussion über rassistische Tendenzen in Thüringen in die Begegnungsstätte Siebenhitze geladen.
Der Berliner Politikwissenschaftler Hans-Joachim Funke lieferte zunächst die wissenschaftliche Grundlage. Er verdeutlichte, dass der Erfolg von Pegida und AfD darauf zurückzuführen ist, dass die Masse der Menschen unzufrieden mit der Situation im Land ist. Die Flüchtlingsdebatte sei dann ein Ventil gewesen, das AfD und Pegida für sich genutzt hätten. „Es gab eine neue Chance für rechte Ressentiments“, so Funke. Pegida und AfD aber würden keine Lösung, sondern nur einen Sündenbock liefern. Zudem kritisierte er, dass sich die AfD-Parteiführung feige vor offen rechtsradikalen Mitgliedern wegducke.
Als einen Wegbereiter sieht Funke auch Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“. Menschen, die AfD und Pegida folgen, hätten ihren Sündenbock gefunden und auch kein Interesse an Kommunikation beziehungsweise demokratischer Streitkultur. Außerdem sieht Funke in Deutschland bei diesen Menschen ein höheres Gewaltpotenzial, als in anderen europäischen Ländern.
Der Geraer Pfarrer Michael Kleim sprach über seine eigenen Erfahrungen, da er auch schon selbst massiv bedroht wurde. „Diese Leute wollen angeblich das Abendland verteidigen, aber greifen auch Kirchenvertreter an. Das passt eigentlich nicht zusammen“, so Kleim. Der demokratische Diskurs werde vergiftet durch Gewalt in der Sprache. Theresa Lauß von der Opferberatung „Ezra“ bezog sich konkret auf Greiz und sagte, dass es 2016 in Greiz so viele rassistische Angriffe wie noch nie zuvor gegeben habe. Auch sei die Hemmschwelle gesunken und es würden sogar Kinder angegriffen oder in aller Öffentlichkeit rassistisch gepöbelt. In der Ezra-Statistik 2016 würde Greiz noch vor Gera oder Weimar thüringenweit auf Platz 5 rangieren. Dennoch vermute sie eine große Dunkelziffer.
Die anschließende Diskussion wurde teilweise hitzig geführt. So monierte ein Mann, dass die Presse bewusst falsch berichten würde und daher der Begriff „Lügenpresse“ nicht falsch werde. Hier klärte Funke auf, dass dieser Begriff eindeutig nationalsozialistisches Jargon sei . Der Mann könne zu Recht wütend über die Berichterstattung sein. Jedoch solle er auch froh über die pluralistische Medienlandschaft in Deutschland sein.
Eine Frau aus Greiz sagte, dass die Generation Ü-70 nach Vorfällen aus 2013, bei denen sich vermummte Gruppierungen nach Greiz begaben, verunsichert sei und auch deshalb Ressentiments dulde. Ein weiterer Mann äußerte Bedenken darüber, auf welcher Seite Teile des Staatsapparates, vor allem der Polizei, stehen, wenn es hart auf hart käme. Dafür erntete er teilweise auch vom Podium Zustimmung – auch aufgrund eigener Erfahrungen.
Zu guter Letzt nahm Funke auch noch einmal Medien und lokale Politiker in die Pflicht. Die Presse müsste die Bürger viel mehr informieren und die lokalen Politiker müssten dauerhaft klare Kante gegen Ressentiments zeigen und nicht alle Demonstranten gleichsetzen.